Die Sache mit der Unzufriedenheit ...
Gründe für Unzufriedenheit gibt es zahlreiche. Ich will nicht unbedingt sagen, wie "Sand am Meer", aber trotzdem sehr viele. Und weit nicht alle sind uns bekannt oder bewusst.
Ich mache die Unzufriedenheit und ihre Gründe hier zum Thema, weil viele meiner KlientInnen mit einer (diffusen) Unzufriedenheit zu mir kommen. Sie können es unter Umständen gar nicht so genau benennen. Denn die Gründe sind den Betroffenen häufig nicht bewusst. Sie merken einfach, dass "irgendetwas nicht stimmt". Es fallen Aussagen wie z.B.
- "Eigentlich passt alles. Aber irgendetwas stimmt nicht, irgendetwas fehlt, irgendetwas suche ich."
- "Ich habe einen Mann, ein Kind und ein Haus. Aber ich bin trotzdem so unzufrieden. Und ich weiß nicht, warum. So wollte ich nie werden."
- ...
Hier gilt es herauszufinden, was dieser Unzufriedenheit zugrunde liegt. Und das kann eine spannende Reise sein, eine augenöffnende Reise. Meist spielen mehrere oder viele Faktoren zusammen. Einige davon (aber bei weitem nicht alle) sind:
Vergleichen
Sich zu vergleichen, ist ein direkter Weg in die Unzufriedenheit.
Die Allermeisten von uns sind mit Vergleichen aufgewachsen. Sehr früh haben wir Sätze gehört wie "Dein Bruder schafft es, sein Zimmer aufzuräumen, der ist viel ordentlicher als Du.“ oder "Die Sandra traut sich das. Die ist nicht so ein Angsthase wie Du."
Trotzdem vergleichen wir (uns und andere) auch im Erwachsenenleben immer munter weiter. Denn es wird nicht hinterfragt oder erst gar nicht bemerkt.
Wir können uns in beide Richtungen vergleichen: Nach oben und nach unten.
Gerne vergleichen wir uns nach oben. Und stellen fest, dass andere reicher, schöner und schlanker sind, sich teurere Reisen leisten können, einen besseren Job, ein größeres Haus oder gleich noch ein Boot dazu haben. Das ist das, was wir sehen. Nur wir sehen dann nicht mehr weiter. Soll heißen: Wir sehen nicht, was dahinter steckt, welcher Preis dafür bezahlt wird. Dass es beispielsweise bedeutet, dass die Mutter und Ehefrau ganz selten zu Hause ist, weil sie so viel arbeitet, um den Kredit für das große Haus abzubezahlen. Und dass das eine ziemliche Belastung ist: Sie steht unter großem Druck, den gutbezahlten Job nicht zu verlieren, aber eigentlich möchte sie mehr Zeit mit den Kindern und dem Partner verbringen.
Auch die Vergleiche nach unten machen uns dauerhaft aber nicht wirklich glücklich oder zufrieden.
Vergleiche führen dazu, dass wir uns selbst nicht gut leiden können. Denn irgendwas ist an anderen immer „besser“. Soziale Medien unreflektiert zu konsumieren, ist hier ein Brandbeschleuniger.
Keine Dankbarkeit
Hoch die Hände: Wer ist in der Früh beim Aufstehen dankbar dafür, dass er wieder aufgewacht ist und einen neuen Tag erleben darf? Wer hat heute schon Dankbarkeit dafür gespürt, hören und sehen zu können?
Und ich schreibe hier bewusst "gespürt". Denn kurz mal daran zu denken, wofür wir dankbar sind, ist zwar ein Anfang. Aber letztendlich geht es auch darum, diese Dankbarkeit tatsächlich in uns zu spüren.
Wenn der Fokus zu einem großen Teil auf dem Mangel liegt, auf dem, was (noch) nicht passt, was (noch) fehlt, dann sehen wir nicht (mehr), was schon gut funktioniert, was bereits da ist.
Vom Gesetz der Resonanz her betrachtet, bringt uns dieser Fokus auch zukünftig nicht dort hin, wo wir eigentlich hin wollen.
Die gute Nachricht ist, dass Dankbarkeit trainiert werden kann, genauso wie weniger zu bewerten und weniger zu vergleichen.
Keine Selbstliebe
Ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt. Und das auch heute noch zu Missverständnissen führt. Allen voran, dass sich selbst zu lieben, egoistisch oder gar narzisstisch sei. Doch ich schreibe hier nicht von Selbstverliebtheit sondern von Selbstliebe.
Für mich ist Liebe eine sehr hochschwingende Energie. Es geht sich nicht aus, gleichzeitig in dieser Energie zu sein und (bewusst) völlig rücksichtslos zu handeln. Das heißt allerdings definitiv nicht, keine Grenzen zu haben und nie nein zu sagen.
Und ich schreibe hier auch nicht von dem, was häufig für "Liebe" gehalten wird: Eine Währung mit der man bezahlt oder ein Tauschgeschäft. Sex gegen Liebe. Haushaltsleistungen gegen Liebe. Bestätigung gegen Liebe. Nicht alleine sein gegen Liebe.
Sich selbst zu lieben, sich selbst nah zu sein, mit sich selbst mitfühlend umzugehen, ist ein wunderschönes Gefühl. Letztendlich geht es hier auch um eine Bedingungslosigkeit, nämlich sich selbst bedingungslos anzunehmen und zu lieben mit all seinen Stärken und Schwächen. Dies bedeutet aber nicht bzw. ist natürlich kein Aufruf dazu Entwicklungspotential brach liegen zu lassen und sich hinter einem „so bin ich nun mal“ zu verstecken.
Ich bin ja Fan der Beschäftigung mit dem Inneren Kind: Für mich ist Innere-Kind-Arbeit ein Weg zur bedingungslosen Annahme und Liebe dieses Kindes, das wir waren und das noch in uns ist. Und das damals, in der Kindheit, einfach nur in seinem so-sein bedingungslos angenommen und geliebt werden wollte. Etwas, das wir heute – als Erwachsene – machen bzw. nachholen können. In diesem Sinne ist für mich die Innere-Kind-Arbeit ein Weg zur Eigenliebe.
Eigene Bedürfnisse vernachlässigen
Wenn wir unsere eigenen Bedürfnisse vernachlässigen, alles und alle anderen immer wichtiger sind als wir und unsere eigenen Bedürfnisse, dann vernachlässigen wir uns selbst. Irgendwann haben wir vielleicht gar keinen Zugang mehr zu unseren Bedürfnissen, haben kein Gefühl bzw. Gespür mehr dafür, was wir jetzt gerade möchten oder bräuchten, was uns gut tun würde, was im Moment hilfreich wäre.
Wenn jemand, der Ihnen sehr am Herzen liegt, krank ist und kaum aus dem Bett kommt: Würden Sie ihr/ihm sagen, dass er/sie sich zusammenreißen soll und weiterarbeiten muss?
Oder wenn jemand, den Sie sehr mögen zur Zeit überfordert ist: Würden Sie ihr/ihm sagen, dass sie/er aufstehen muss, um jetzt sofort die Fenster zu putzen?
Wir gehen mit uns selbst oft sehr viel unfreundlicher und schlechter um als wir das mit FreundInnen tun würden. Die eigenen Bedürfnisse werden häufig als nicht so wichtig eingestuft. Natürlich lohnt es sich auch hier, mal nachzuschauen, woher das eigentlich kommt und Veränderungen anzugehen.
Unsere eigenen Bedürfnisse zu erkennen sowie ernst und wichtig zu nehmen, heißt auch, uns selbst ernst und wichtig zu nehmen und zu uns selbst zu stehen.
Eine gute Verbindung, eine liebevolle und aufmerksame Beziehung zu uns selbst wird nicht möglich sein, wenn wir uns selbst und unsere Bedürfnisse vernachlässigen bzw. klein reden, uns nicht für wichtig halten und uns selbst nicht auch Priorität einräumen.
Nicht im Hier & Jetzt sein
Das Leben findet in der Gegenwart und nicht in der Vergangenheit oder in der Zukunft statt. Im jetzigen Moment, im Hier & Jetzt zu sein, präsent zu sein, fördert die Zufriedenheit.
Häufig sind wir aber gedanklich in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Gerade wenn wir wieder und wieder über vergangene Situationen nachgrübeln, die ohnehin nicht mehr änderbar sind oder uns sorgenvoll oder gar ängstlich eventuellen Zukunftsszenarien hingeben, die womöglich niemals eintreffen, fördert dies nicht unsere Zufriedenheit.
Denn unsere Gedanken führen zu Emotionen. Sich ständig wiederholende sorgenvolle Gedanken und Selbstvorwürfe, z.B. über eine nicht geschaffte Prüfung, werden nicht dazu führen, dass wir Zuversicht, Zufriedenheit oder Freude in uns verspüren.
Aber bitte nicht in einen Topf werfen: Pläne machen, Ziele setzen, reflektieren, … hat natürlich seine absolute Berechtigung.
Vielleicht hat man aber auch nicht realistische Ziele ins Auge gefasst. Wie z.B. „Ich war noch nie im Fitnessstudio, aber ab heute trainiere ich dort täglich - ohne jede Ausnahme – für 2 Stunden.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass das zum Scheitern verurteilt ist, ist relativ hoch …
Oder man ist häufig unter- oder überfordert. Flow-Erlebnisse, die im Bereich dazwischen stattfinden, fehlen.
Wenn es um Unzufriedenheit geht, kann auch der eine oder andere undienliche Glaubenssatz unterwegs sein. Gerade, wenn wir wittern oder erkennen, dass uns Glaubenssätze einschränken und wir davon überzeugt sind, das nicht ändern zu können, kann dies unzufrieden machen.
Aber zu Glaubenssätzen und unseren (oft nicht förderlichen) Umgang mit diesen ein anderes mal mehr …
Und wie das Wort „Unzu-frieden-heit“ schon sagt: Es ist etwas nicht im Frieden, wir sind mit etwas oder jemandem nicht im Frieden. Aber wer oder was könnte das jetzt sein? Und warum überhaupt?
Gemeint ist hier definitiv nicht, jedem alles zu verzeihen. Es geht darum, dass wir uns mit uns selbst und der eigenen Lebensgeschichte versöhnen. Und eben uns selbst vergeben. Das ist ein wichtiger Schritt Richtung innerem Frieden.
Und: Ab und an schlechte Laune zu haben/unzufrieden zu sein, ist völlig in Ordnung. Wenn sich die Unzufriedenheit allerdings durchs Leben zieht wie ein Kaugummi, Leidensdruck entsteht und die Lebensqualität länger beeinträchtigt ist, dann empfiehlt es sich hinzuschauen. Gegebenenfalls auch mit professioneller Hilfe.
Also kann man die Unzufriedenheit auch als Alarmanlage oder Wegweiser sehen. Es wird uns gezeigt, dass etwas „nicht stimmt“. Und wenn wir uns dem genauer zuwenden, können wir auch sehen, wo die Gründe dafür liegen, wo wir uns durch Veränderungen selbst ein zufriedeneres Leben ermöglichen und erschaffen können. Das heißt auch, dass wir Verantwortung für die eigene Zufriedenheit in unserem Leben übernehmen können, es selbst in die Hand nehmen können.
Viele Aspekte im Zusammenhang mit Unzufriedenheit kann man mit mehr Achtsamkeit positiv verändern. Lust auf Achtsamkeitstraining? Dann gerne HIER mehr dazu lesen und ein unverbindliches und kostenfreies Kennenlerngespräch vereinbaren.
Eine kleine Anmerkung zum Schluss:
Da Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit subjektiv ist, ist eine Erhebung auch recht schwierig. Mehr zu der Problematik kann man HIER lesen.
Sabine Schiefer
13.07.2023